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Seit Anfang 2025 können Netzbetreiber ihre Gasnetze mit verkürzten Nutzungsdauern abschreiben. Die Thüga empfiehlt, die neuen Möglichkeiten zu nutzen. Denn sie können eine wichtige Finanzierungskomponente für Transformationsprojekte außerhalb des Gassektors darstellen.
In den Jahren vor dem Krieg gegen die Ukraine wurden die Verteilnetze in Deutschland noch mal deutlich ausgebaut“, weiß der Leiter der Thüga-Regulierung Patrick Kunkel. Das Problem: „Nun geht die kalkulatorische Nutzungsdauer oft über das Jahr 2045 hinaus, ab dem bundesweit keine fossilen Brennstoffe mehr durch die Leitungen fließen dürfen.“ Als Lösung hat die Bundesnetzagentur eine neue Regelung zur kalkulatorischen Nutzungsdauer und Abschreibungsmodalitäten von Erdgasleitungsinfrastrukturen (KANU 2.0) erlassen. Seither können Gasnetzbetreiber ihre Netze vergleichsweise flexibel bis zum 31. Dezember 2044 abschreiben. Bei konkreten Anhaltspunkten wie landesrechtlichen Vorgaben – etwa ein Fossilausstieg bis 2040 – oder Vorgaben aus der Kommunalen Wärmeplanung dürfen sie sogar bis frühestens zum 31. Dezember 2034 vorzeitig abschreiben.
Die neuen Abschreibungsmodalitäten zielen auf Gaskunden und -netzbetreiber gleichermaßen ab: Einerseits sollen die schnelleren Abschreibungsmodalitäten unterbinden, dass immer weniger Gaskunden immer höhere Netzentgelte bezahlen müssen. Andererseits soll die Regelung verhindern, dass Gasnetzbetreiber ab 2045 auf Restwerten sitzen bleiben, die sie nicht mehr über Netzentgelte einspielen können. Geld, das Versorger nun gesichert etwa für anstehende Transformationsprojekte verplanen können. Laut Bundesnetzagentur macht bereits ein Drittel der Netzbetreiber von KANU 2.0 Gebrauch. „In der Thüga-Gruppe ist es aktuell etwa ein Viertel“, sagt Kunkel. Die Netzbetreiber können sich entscheiden zwischen einer Handelsgesetzbuch-üblichen linearen Abschreibungsmethodik oder einer degressiven Abschreibung mit einem Satz zwischen acht und zwölf Prozent. Ein Wechsel ist immer zum Jahreswechsel möglich, erfordert allerdings eine tragfähige Begründung
Grundsätzlich ist ein vorzeitiges Abschreibungsende der gesamten Asset-Basis möglich. Eine Verpflichtung gibt es nicht. In jedem Fall gilt, dass sich die Bundesnetzagentur ein Abschreibungsende vor 31.12.2044 begründen lässt und die Entwicklung der Netzentgelte überwachen wird. Die Möglichkeit, über 2045 hinaus abzuschreiben, besteht weiterhin, dann allerdings in einem anderen Regime. Diese Option könnte zum Beispiel bei einer Anschlussnutzung mit grünem Wasserstoff und einer Abschreibung der verbleibenden Restbuchwerte über eine künftige Wasserstoffnetzentgeltregulierung Sinn machen. Netzbetreiber, die Abschreibungen mit Jahresbeginn 2026 ändern wollen, sollten sich den 15. Oktober 2025 merken. Zu diesem Stichtag muss der Antrag bei der Bundesnetzagentur eingereicht sein.
„Die Erdgas-Nachfrage wird in unserem Netzgebiet ab den 2030er-Jahren vermutlich deutlich abnehmen. Die KANU 2.0-Teilnahme lag folglich auf der Hand: Zwar steigen die Gaspreise aus Endkundenperspektive nun früher. Aber die Kosten verteilen sich über einen breiteren Kundenkreis. Mit unserem Controlling sowie der Unterstützung des Thüga-Regulierungsbarometers haben wir im Vorfeld verschiedene Szenarien durchgespielt. Die Entscheidung fiel auf die zwölfprozentige, degressive Abschreibungsvariante mit Start im Januar 2025. Wir sehen uns damit auf einem guten Weg, aber prüfen in regelmäßigen Abständen eine Nachjustierung. Sie könnte zum Beispiel eintreten, sollte sich – auch wenn es aktuell danach nicht aussieht – in Zukunft eine umfangreichere Anschlussnutzung mit grünem Wasserstoff ergeben.“
„Auf einer Insel ist der Platz bekanntlich endlich. Die Straßen sind alle erschlossen, daher stand bei unserem Gasverteilnetz zuletzt vor allem die Verdichtung und Unterhaltung im Mittelpunkt. Trotzdem hätten auch wir nach 2045 Restbuchwerte in Kauf nehmen müssen. Obwohl das Bundesland Schleswig-Holstein bereits zum Jahr 2040 aus fossilen Energieträgern aussteigen möchte, nutzen wir den gesamten Abschreibungszeitraum bis Jahresende 2044. Eine gute Nachricht für unsere Kunden: Unsere Netzentgelte liegen auch mit KANU 2.0 noch immer im Bundesdurchschnitt. Mit unseren Gesellschaftern fanden wir eine Lösung, einen Teil des zusätzlichen Bilanzgewinns in eine Kapitalrücklage zu überführen. So schaffen wir größeren Finanzierungsspielraum für Transformationsprojekte außerhalb des Gassektors, also zum Beispiel beim Stromnetzausbau.“
„Die kalkulatorischen Nutzungsdauern unserer Verteilnetzabschnitte betragen bis zu 55 Jahre. Bei einem Fossilausstieg zum Jahr 2045 verbleiben also mit Sicherheit nicht refinanzierte Restwerte in den Büchern. KANU 2.0 begrüßen wir daher ausdrücklich. Die Antwort auf die Frage nach dem ‚Wie?‘ begann bei uns mit Simulationsrechnungen für die verschiedenen Abschreibungsvarianten. Dabei waren unter anderem die Fragen relevant: Können Netzabschnitte nach 2044 weiterverwendet werden? Wie entwickeln sich die zukünftigen Gasdurchflussmengen? Wie sieht die Kundenstruktur aus? Ein genauer Blick auf die handelsrechtlichen Themen rund um den Jahresabschluss bot sich ebenfalls an. Auch steuerrechtliche Aspekte hatten wir im Blick. Die degressive Abschreibungsvariante mit zwölf Prozent erschien uns vor dem Hintergrund unserer individuellen Situation am sinnvollsten. Mit ihr sind wir vor Kurzem ins neue Jahr gestartet.“