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Stroh, Heu und Holz gehören zu den erneuerbaren Energieträgern, aus denen Wärme und Strom gewonnen werden. Bei der Energiewende in Deutschland spielt Biomasse eine bedeutende Rolle. Zwei Thüga-Partnerunternehmen setzen erfolgreich auf sie.
Deutschland hat sich ehrgeizige Klimaziele gesetzt. Bis 2030 muss der Anteil der erneuerbaren Energien bei der Wärmeversorgung bei 50, 2045 bei 100 Prozent liegen. Aktuell beträgt er magere 16 Prozent. Umso wichtiger, dass auch die Stadtwerke alle Möglichkeiten prüfen und nutzen – auch solche, die bislang eine eher untergeordnete Rolle spielen. Welche Möglichkeiten für eine Transformation der Wärmeversorgung gibt es? Neben dem Einsatz von Geothermie und Abwärme könnte auch Biomasse eine wachsende Bedeutung zukommen. In einer dreiteiligen Serie stellen wir Ihnen die verschiedenen Optionen vor.
„Die rund 100 Partnerunternehmen der Thüga setzen im Nah- und Fernwärmebereich derzeit zu circa 20 Prozent auf regenerative Rohstoffe“, sagt Alexander Hellmann, Leiter des Kompetenzteams Erzeugung bei der Thüga. „Bis 2030 muss dieser Anteil gemäß den gesetzlichen Auflagen auf 50 Prozent steigen.“ Um die Energie- und Wärmeversorgung in dieser Größenordnung zu dekarbonisieren, kommen auch auf die Unternehmen der Thüga-Gruppe hohe Investitionskosten zu. „Allein in den nächsten sieben Jahren rechnen wir im Vergleich zu heute mit einer Verdreifachung“, schätzt Hellmann. Diese Gelder können auch in Anlagen für die Verwertung von Biomasse fließen.
Organische Stoffe pflanzlicher oder tierischer Herkunft bezeichnet man als Biomasse, die in fester, flüssiger oder gasförmiger Form existiert. Sie ist – physikalisch gesehen – chemisch gebundene Sonnenenergie. Aus ihr kann klimaneutral Bioenergie gewonnen werden: In Biogasanlagen können Mais, Zuckerrüben oder auch Gülle vergärt werden. Das entstehende Gasgemisch ist für die Wärme- und Stromerzeugung nutzbar. Aus Biomasse in fester Form, insbesondere Holz, entstehen durch Verbrennung ebenfalls Strom und Wärme. Restholz steht in Deutschland in großem Umfang zur Verfügung. Bei der Verbrennung dieses nachwachsenden Rohstoffs entsteht nur so viel klimaschädliches Kohlendioxid, wie es zuvor in seiner Wachstumsphase gebunden hat.
Die Thüga steht Partnerunternehmen, die auf Biomasse setzen möchten, zur Seite. „Wir bieten strategisch konzeptionelle Beratung zur Energieerzeugung und Investitionsentscheidungen an. Außerdem beraten wir zu Rechts- und Steuerangelegenheiten und begleiten Umsetzungsprojekte inklusive Kostencontrolling“, sagt Hellmann. Von diesem Angebot konnte auch BS Energy in Braunschweig beim Bau seines neuen Biomassekraftwerks profitieren. „Wir haben dieses Partnerunternehmen intensiv unterstützt und mit einem Mitarbeiter auch das Projektbüro vor Ort gesteuert“, so Hellmann weiter.
In diesem Sommer nimmt der niedersächsische Versorger die neue Anlage in Betrieb, deren Investitionskosten 250 Mio. Euro betrugen. „Energieträger ist Altholz aus der Abfallverwertungskette“, sagt Dr. Volker Lang vom Vorstand von BS Energy. Bei dem Material mit einem biogenen Anteil von über 98 Prozent handelt es sich unter anderem um Bauholz, Abbruchholz, Bahnschwellen, Holz aus der Transport- oder Verpackungsindustrie oder auch alte Gartenhäuser. „Dieses Material kann stofflich nicht mehr genutzt werden“, so Dr. Lang. „Daher führen wir es der thermischen Verwertung zu und gewinnen daraus Wärme und Strom.“
Circa 180.000 Tonnen Altholz aus einem Umkreis von 250 Kilometern verbrennt die Anlage pro Jahr. Zum Vergleich: Der Altholzmarkt in Deutschland umfasst circa 10 Mio. Tonnen. Die Anlage hat eine thermische Leistung von 53 MW und eine elektrische Leistung von 22 MW. Sie wird Braunschweigs Grundlastanlage sein. Spitzenlasten im Winter deckt unter anderem ein neues Gasturbinenheizkraftwerk ab. Die neue Biomasseanlage macht die Luft in Braunschweig sauberer. „Wir senken, verglichen mit unserer früheren Kohleanlage, die Emissionen von Schwefeldioxid, Stickoxiden oder Staub weit unter die zulässigen Grenzwerte“, betont Dr. Lang. Durch den Einsatz von Biomasse liegt die CO₂-Ersparnis außerdem bei 170.000 bis 200.000 Tonnen pro Jahr –etwa zehn Prozent des gesamten CO₂-Ausstoßes der Stadt. Das Fazit von Dr. Lang: „Der sehr attraktive Primärenergiefaktor und der hohe Anteil erneuerbarer Energien in der Fernwärmeerzeugung führen zu erheblichen Vorteilen in der CO₂-Bilanzierung.“
In Bad Mergentheim setzen die Verantwortlichen ebenfalls auf Biomasse, und das schon seit Jahren. Das dortige „Naturwärmekraftwerk“, wie es der Geschäftsführer des Stadtwerks Tauberfranken Paul Gehrig nennt, produziert seit 2012 Wärme und Strom aus 10.000 Tonnen Holzhackschnitzeln pro Jahr, die Investitionskosten betrugen 20 Mio. Euro. Die Wärmeleitung verläuft durch die komplette Altstadt. Flankiert wurde die Errichtung der Anlage durch die Thüga: „Mit dem Stadtwerk Tauberfranken pflegen wir einen engen Austausch und beraten immer wieder strategisch und operativ“, erläutert Alexander Hellmann.
Das verwendete Material besteht aus Restholz aus regionaler, nachhaltiger Forstwirtschaft sowie Landschaftspflegematerial und Straßenbegleitgrün aus den drei Landkreisen Hohenlohe, Neckar-Odenwald und Main-Tauber. „Zu 90 Prozent stammt das Holz aus einem Umkreis von maximal 50 Kilometern, so halten wir den CO₂-Ausstoß beim Transport gering“, sagt Paul Gehrig. Die größten Herausforderungen bestehen darin, langfristige, möglichst zehnjährige Verträge abzuschließen. „Die Lieferanten müssen ihrerseits sehen, ob sie das Material dauerhaft bereitstellen können. Und wir benötigen Planungssicherheit“, betont Gehrig. „Doch bisher hat das sehr gut geklappt.“
Rund 38 Mio. kWh Wärme und 8,3 Mio. kWh Strom im Jahr produziert die Anlage mit einer Energieeffizienz von über 80 Prozent. Das entspricht einem Jahresbedarf von circa 2.500 Haushalten. Durch eine Kooperation mit jungen Ingenieuren eines Start-ups konnte die Leistung des Kraftwerks seit Kurzem sogar noch um zehn Prozent gesteigert werden.
Die Leistung von 6 Megawatt – 5 MW thermische, 1 MW elektrische Leistung – reicht allerdings nicht im Winter. „In den kühlen Monaten schalten wir einen Gasspitzenlastkessel hinzu, um den Wärmebedarf zu decken“, erläutert Gehrig. Der Gasanteil an der Wärmeerzeugung betrug 2022 aber lediglich circa 20 Prozent.
Nicht nur der CO₂-Ausstoß konnte durch das Naturwärmekraftwerk um 13.500 Tonnen pro Jahr reduziert werden. Durch den weitgehenden Ersatz von fossilen Brennstoffen und eine mehrstufige Rauchgasreinigung hat sich die Luftqualität in der Kur- und Badestadt deutlich verbessert. „Unser Ziel ist es, bis 2025 klimaneutral Wärme und Strom zu produzieren“, sagt Gehrig. Biomasse als Energielieferant leistet dabei einen wichtigen Beitrag.