Das PV-Zielbild der Thüga beschreibt, wie sich der Photovoltaik-Markt systematisch weiterentwickeln lässt. Drei Fallbeispiele zeigen den aktuellen technischen, wirtschaftlichen und organisatorischen Stand.

In der ersten Hälfte 2023 gingen in Deutschland monatlich Photovoltaik(PV)-Anlagen mit einer Leistung von rund 1.000 MW ans Netz. Rekord! Allerdings: Um das für 2030 angestrebte Ausbauziel zu erreichen, hätten es mehr als 1.500 MW monatlich sein sollen. „Das Potenzial der Photovoltaik in Deutschland ist enorm, selbst wenn wir den Fachkräftemangel oder eine schleppende Materialverfügbarkeit berücksichtigen“, sagt Katharina Baumbusch vom Thüga-Kompetenzcenter Innovation.

Handlungsempfehlungen für den Hochlauf

Um die Rahmenbedingungen für den Hochlauf zu optimieren, ergab das PV-Zielbild eine Reihe von Handlungsempfehlungen. „Im Thüga-Leistungskatalog sind bereits zahlreiche Unterstützungsangebote für PV-Projekte zu finden“, erklärt Alexander Hellmann, Leiter Thüga-Kompetenzteam Erzeugung. Die drei Praxisbeispiele aus Fulda (1), Radolfzell (2) und Schwerin (3) weisen weit über die Potenzialanalyse von Flächen oder die Wirtschaftlichkeitsberechnungen von Solarsystemen hinaus.

ArtistGNDphotography_istockphotoArbeitskreis für Wissenstransfer

„Um den Wissenstransfer anzukurbeln, haben wir zum Beispiel den Arbeitskreis PV-Projektgeschäft ins Leben gerufen“, sagt Baumbusch. „Mehr als 20 Partnerunternehmen sind daran beteiligt und tauschen hier ihre Erfahrungen aus.“ Standardisierung auf allen Prozessebenen und die Akquise der nötigen Flächen seien zwei wesentliche Stoßrichtungen bei der weiteren Entwicklung des Marktes, so Baumbusch. Ihre Empfehlung: „Die Thüga bietet hier handfeste Unterstützung. Die Zeit zu handeln ist jetzt.“

PV-Potenziale erkennen und nutzen

Das Einfangen von Sonne braucht Platz. „Und Flächen für PV-Anlagen gibt es praktisch überall – Gewerbe- und Privatdächer, Freiflächen, inzwischen auch Fassaden oder Balkone“, sagt Hellmann „Für den lokalen Energieversorger beginnt die Herausforderung mit der Frage, mit welcher Absicht er sich dem Thema nähert: Will er selbst in die Erzeugung einsteigen oder strebt er ein möglichst schlank organisiertes Mengengeschäft an?“ Im ersten Fall muss das Partnerunternehmen geeignete Flächen identifizieren und sichern, im anderen muss es sich als kompetenter Ansprechpartner vor Ort profilieren. „Viele mögliche Kunden denken über eine PV-Anlage nach. Aber nicht alle denken dabei sofort an ihr Stadtwerk.“
Die Details sind komplex. Welche Fläche ist förderfähig? Wie kann ich mit einer alten Deponie umgehen? Welche Höhe einer Pacht ist angemessen? Verliert eine landwirtschaftliche Fläche mit der PV-Nutzung ihren Ackerstatus? Was passiert im Erbfall? Hellmann: „Die Thüga bietet schon heute Tools, die in der frühen Projektbewertung unterstützen. Im Rahmen des PV-Arbeitskreises haben wir einen Leitfaden entwickelt, der weitere Hilfestellung gibt. Ähnliches gilt für Musterverträge. Außerdem werden wir Konzepte entwickeln, wie sich das Stadtwerk vor Ort als erster Ansprechpartner bei der Entwicklung von PV-Projekten positionieren kann.“ Mitmachen lohnt sich!

Praxisbeispiel 1: RhönEnergie Erneuerbare

Ambitionierte Ausbauziele

Die RhönEnergie Erneuerbare GmbH aus Fulda hat sich ambitionierte Ziele gesetzt. Unter Leitung von Geschäftsführer Stefan Fella steht die Weiterentwicklung des eigenen Erzeugungsportfolios im Mittelpunkt. Bis 2030 sollen 100 Megawatt (MW) Erzeugungsleistung dazukommen. Einer der ersten Schritte ist der im September 2023 eröffnete Solarpark SonnenScheinStrom in Eichenzell – mit einer Kapazität von 14,4 MW einer der größten der Region. Für weitere Projekte stehen die Zeichen günstig. Fella: „Die Region Osthessen um Fulda durchziehen große Verkehrswege. Die seit Januar geltende Privilegierung von PV-Anlagen längs von Autobahnen und mehrgleisigen Schienenanlagen hat eine Art Goldgräberstimmung ausgelöst.“ Für den kürzlich angeschlossenen Park war noch ein vollständiger Bebauungsplan mit  aufwendigen Genehmigungsschleifen nötig. Für die nächsten drei geplanten Projekte von RhönEnergie wird das durch ein deutlich einfacheres Zulassungsverfahren ersetzt; bei ihnen kommt zum Teil eine privilegierte Bebauung in Betracht. Um die Ausbauziele zu erreichen, geht die RhönEnergie Erneuerbare aktiv auf Gemeinden zu. Fella: „Aus unserer Sicht haben die Kommunen zwei Möglichkeiten, von diesem Trend zu profitieren: potenzielle Flächen ausweisen und Energiekooperationen gründen.“ Einige Kommunen hätten inzwischen Potenzialkataster erstellt. So können sie den PV-Ausbau in ihrem Gebiet steuern und schaffen die Voraussetzungen für die im nicht-privilegierten Bereich nötigen Bebauungspläne. Die zweite Möglichkeit ist das Voranbringen von Energiekooperationen. Fella: „Eine haben wir mit einer Stadt in Osthessen, einem benachbarten Regionalversorger und einer regionalen Energiegenossenschaft auf den Weg gebracht. Ziel ist, die Wertschöpfung möglichst in der Region zu halten und Bürgern die Möglichkeit zu geben, sich finanziell zu beteiligen.“ Auf dem Weg in die PV-Zukunft ist der Thüga-PV Arbeitskreis für Fella eine äußerst sinnvolle Einrichtung, „um Informationen zu bündeln und Fehler auf allen Seiten zu minimieren“.

Praxisbeispiel 2: Stadtwerke Radolfzell

Automatisiert bis zum Auftrag

Angefangen hat in Radolfzell alles mit Wallboxen für E-Fahrzeuge. Joachim Kania, Leiter Vertrieb Stadtwerke Radolfzell: „Die Landesregierung hat vor rund fünf Jahren die E-Mobilität angeschoben und wir drohten in der Flut von Anfragen unterzugehen.“ Statt auf Excel-Tabellen und Notizzettel setzte Kania damals auf ein digitales Projektmanagement. Das System sollte sämtliche Daten rund um den Kunden zusammenführen und die Handwerkersteuerung gleich mit übernehmen. Realisiert hat die Lösung auf Salesforce-Basis der Smart Living Hub mit Sitz in Traunstein. Heute nutzt Kania das Management-Tool auch für die Steuerung von PV-Projekten. In sieben Schritten erstellen Interessierte ihr erstes Angebot für eine private PV-Anlage, ohne dass jemand von den Stadtwerken manuell eingreifen muss. Für die Realisierung setzen die  Stadtwerke auf Handwerksbetriebe, die laut Kania diese Projekte gerne übernehmen. Sie wissen, dass sich die Stadtwerke um Erstkontakt, Grundlageninformation, Angebotserstellung und mehr kümmern und ihnen damit ungeliebte Arbeit abnehmen.

Praxisbeispiel 3: WEMAG AG

PV-Anlagen im Paket

Planung und Umsetzung einer privaten PV-Anlage beispielsweise auf Dächern sind nur ein erster Schritt. Mögliche Erweiterungen über Stromspeicher, die Wallbox zum Laden des E-Fahrzeugs oder die Verbindung mit einer Wärmepumpe machen aus PV-Anlagen ein ganzes Energiesystem. Stefan Kalas, Kundenbetreuer technische Produkte der Schweriner WEMAG AG: „Die Einspeisevergütung ist mittlerweile stark gesunken. Trotzdem rentieren sich eigene PV-Anlagen. Die Anschaffung ist vergleichsweise kostengünstig. Wer Anlagen auf einen möglichst hohen Eigenverbrauch hin optimiert, macht sich weitgehend unabhängig von schwankenden Energiepreisen und kann viel Geld sparen.“ Partnerschaften mit PV- und Batterieherstellern sind vorhanden, weitere in Vorbereitung. Sind ausreichend viele Speicher in Betrieb, lassen die sich zu einem virtuellen Kraftwerk zusammenschalten. So ließe sich die Stromversorgung von Teilnetzen über die Bereiche Wärme, Mobilität und Stromversorgung hinweg quasi autonom betreiben.