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Wie lösen wir uns von der Abhängigkeit von russischem Erdgas? Diese Frage ist aktuell doppelt relevant: Wegen des Ukraine-Kriegs und wegen der Klimakrise. Während die russische Invasion verständlicherweise die Debatte in den Medien dominiert, hat der letzte Bericht vom IPCC von Ende Februar allenfalls in der interessierten Fachöffentlichkeit Aufmerksamkeit erregt.
Dabei sind die klaren Botschaften der Wissenschaftler aus aller Welt in letzter Konsequenz ähnlich dramatisch wie die aktuellen Bilder aus der Ukraine: „The rise in weather and climate extremes has led to some irreversible impacts as natural and human systems are pushed beyond their ability to adapt.“ Und weiter: „The magnitude and rate of climate change and associated risks depend strongly on near-term mitigation and adaptation actions, and projected adverse impacts and related losses and damages escalate with every increment of global warming.“
Im Klartext bedeutet dies, dass sich einige Auswirkungen der Klimaerwärmung nicht mehr rückgängig machen lassen und dass wir mit jedem Augenblick der Untätigkeit später noch viel größere Schäden zu erwarten haben.
Wenn man einen Blick auf den aktuellen Energieverbrauch in Deutschland wirft, werden folgende zwei Punkte deutlich:
Die Bundesregierung hat einige Ansätze skizziert, um diesen Status Quo zügig zu ändern. Keine dieser Stoßrichtungen ist einfach, und es sind weitgehende politische Maßnahmen nötig, damit die bislang aufgezeigten Ideen auch zu konkreten Investitionen führen.
Erste Stoßrichtung: Verflüssigtes Erdgas aus den USA und Katar
Zum einen soll Erdgas aus anderen Ländern bezogen werden, unter anderem als verflüssigtes Erdgas (LNG) aus den USA und Qatar. Das ist sinnvoll und wichtig für die Versorgungssicherheit in Deutschland. Gleichzeitig wird dies dazu führen, dass der Preis von Erdgas weiterhin hoch bleibt.
Außerdem werden die CO2-Emissionen über die gesamte Wertschöpfungskette steigen. Das liegt unter anderem daran, dass der Schiffstransport im Vergleich zum Transport per Pipeline mehr Energie benötigt.
Zweite Stoßrichtung: Mehr Wind- und Solarenergie
Zum anderen besteht der politische Wille, den Ausbau von Windenergie und Photovoltaik in Deutschland deutlich zu beschleunigen. Neben den komplexen und langwierigen Genehmigungsverfahren, die sicherlich stark verkürzt werden können und müssen, gibt es dabei aber noch ganz andere Herausforderungen in der Praxis: So werden weit über 90 Prozent der erneuerbaren Energiequellen ans Stromverteilernetz angeschlossen. Ein sehr schneller Ausbau erneuerbarer Energien in ganz Deutschland wird dazu führen, dass das Stromnetz in Zukunft den erneuerbaren Strom immer öfter gar nicht aufnehmen kann.
Wir werden also in absehbarer Zukunft vor dem Dilemma stehen, dass wir ganz häufig sehr viel erneuerbaren Strom haben, diesen aber nicht zum Kunden transportieren können. Das Problem wird sich durch einen punktuellen Netzausbau nicht auflösen, sondern erfordert eine breite und umfassende Modernisierung und den massiven Ausbau der Stromverteilernetze.
Dritte Stoßrichtung: Grüner Wasserstoff
Die CO2-Emissionen von Gas werden erst dann sinken, wenn eine Umstellung von Erdgas auf grünen Wasserstoff stattfindet — das ist ein Gas hergestellt aus erneuerbaren Energien wie Sonne oder Wind. Darum bemüht sich die Politik schon seit einigen Jahren: Partnerschaften zu möglichen Lieferländern werden aufgebaut, mit H2Global ist auch bereits ein konkretes Förderinstrument in den Startlöchern. Der Import von Wasserstoff (H2) ist im Vergleich zu Erdgas weniger problematisch, weil grundsätzlich jedes Land mit ausreichend Wind und Sonne grünen H2 herstellen und exportieren kann. Dies erlaubt eine viel breitere Diversifizierung.
Grüner Wasserstoff bietet auch für das Problem der Stromverteilung eine Lösung, weil die neu hinzukommende Wind- und Sonnenenergie dezentral in Wasserstoff umgewandelt werden kann. So kann diese erneuerbare Energie ins Gasverteilernetz eingespeist werden. Konkrete Pläne der Branche für die Transformation der Gasinfrastruktur weg von Erdgas und hin zu H2 liegen bereits in der Schublade.
Power-to-Gas als Schlüsseltechnologie
Unter Energieexperten und auch bei Umweltverbänden besteht große Einigkeit, dass dieser Ansatz — Power-to-Gas — eine Schlüsseltechnologie für den Klimaschutz ist. Diskussionen gibt es im Moment vor allem zur Frage, in welchen Sektoren H2 zum Einsatz kommen soll und wie sichergestellt wird, dass für die Wasserstoff-Erzeugung auch wirklich nur erneuerbarer Strom verwendet wird. Diese Uneinigkeit lähmt die Politik und führt dazu, dass im Moment — wenn überhaupt — nur staatlich geförderte einzelne Pilotprojekte gebaut werden. Das ist für mich mit Blick auf den Klimaschutz und die Ukraine kaum nachvollziehbar.
Aus meiner Sicht gilt es jetzt, den Bau von Power-to-Gas-Anlagen in Deutschland pragmatisch und unbürokratisch zu fördern. Viele Akteure haben dazu bereits Ideen formuliert, an einigen durfte ich selbst mitwirken. Von mir aus gesehen kann es aktuell nicht darum gehen, mit dem ersten Förderprogramm eine perfekte Lösung für die Zeit bis 2045 aufzusetzen.
Vielmehr sollte jetzt schnell ein Instrument entwickelt werden, dass Projektentwicklern, Energieversorgern, Stadtwerken und Bürgergenossenschaften erlaubt, in kleine und große Power-to-Gas-Anlagen unkompliziert zu investieren. Diese Förderung kann und muss natürlich im Laufe der Zeit sinnvoll weiterentwickelt und angepasst werden. Ich finde es vordringlich, dass wir jetzt gemeinsam den Einstieg in die Wasserstoff-Welt finden — für den Klimaschutz und für die Ukraine. Wir benötigen eine echte Aufbruchstimmung.
Dieser Beitrag ist ursprünglich im Magazin „Ad Hoc International“ erschienen.