Zu wissen, wo es in Zukunft in der Niederspannung zu Engpässen kommen wird, spart Geld beim Ausbau. Die Umsetzung der EU-Klimaziele erfordert einen Umbau und die Flexibilisierung des Niederspannungsnetzes, das an seine Grenzen kommt. Für eine belastbare Vorhersage können Energieversorgungsunternehmen eigene Daten und externe Informationen nutzen. Auf dieser Basis hat die Thüga ein Prognosetool für zukünftige Entwicklungsszenarien entwickelt und mit drei Partnerunternehmen überprüft.

Die Umsetzung der EU-weit beschlossenen Klimaziele erfordert einen Umbau und eine Flexibilisierung des Niederspannungsnetzes in Deutschland. Axel Stiefermann vom Thüga-Team Netzstrategie: „Bislang haben viele Niederspannungsnetze noch Reserven für die Integration von Lasten- und Erzeugungsanlagen. Diese sind allerdings je nach Netz früher oder später ausgeschöpft.“ Wer heute auf der Basis älterer Planungsdaten oder nach Maßgabe des gerade aktuell angefragten Bedarfs lokale Strecken ausbaut, läuft Gefahr, die Betriebsmittel innerhalb der kommenden Jahrzehnte mehrfach wieder anpassen zu müssen. Steigende Kosten und ein schleppender Ausbau wären die Folge. Fertig installierte Erzeugungsanlagen oder Verbraucher könnten erst verzögert ans Netz gehen.

 

 Verlässliche Vorhersage als Schlüssel

Der Schlüssel für einen effizienten Ausbau in der Niederspannung ist eine verlässliche Vorhersage, wie sich Erzeugung und Last in den nächsten 20 Jahren entwickeln werden und wo künftig mit welchen Anschlussleistungen zu rechnen ist. Und das bis hinunter zum einzelnen Hausanschluss. Die gute Nachricht: Viele Daten, die für eine belastbare Vorhersage relevant sind, liegen den Energieversorgungsunternehmen (EVU) vor. Stiefermann: „Das beginnt mit Daten im Geoinformationssystem der EVU, in dem die Kapazitäten, die Lage von Kabeln, die Standorte von Trafostationen, Straßen, Wegen oder Zugängen und die logische Struktur des Netzes verzeichnet sind.“ Die Gas- und Stromverbrauchsdaten der EVU runden dieses Paket ab.

Hilfreiche externe Informationen

„Dazu kommen Informationen, die externe Dienstleister, Ämter und Behörden beisteuern können oder die am Markt frei zugänglich sind“, so Stiefermann. Geo- und Wärmebedarfsdaten, regulatorische Ziele, Standardlastprofile genauso wie detaillierte Potenzialanalysen für Solaranlagen oder sozioökonomische Daten. Stiefermann: „Nehmen wir das Solarpotenzial. Hier wurden in den Pilotprojekten aufgrund von Dachschrägen und Nord-Süd-Ausrichtung der Bestandsbebauung erwartbare Erzeugungskapazitäten verlässlich berechnet.“ Werden zusätzlich noch sozioökonomische Daten wie Alter, Haushaltsgröße, Einkommenssegment oder die Zahl der Pkw und Parkflächen einbezogen, lassen sich zukünftige Entwicklungsszenarien mit solider Wahrscheinlichkeit bestimmen.

Einsatzfähige Lösung voraussichtlich Mitte 2025

Stiefermann: „Im ersten Schritt haben wir mit den von uns ausgewählten Dienstleistern die Methodik des angestrebten Prognosesystems erarbeitet und sie danach im Rahmen von Pilotprojekten mit drei Thüga-Partnerunternehmen (PU) überprüft.“ Eine einsatzfähige Lösung – ein Webportal – wird voraussichtlich Ende Q1/Anfang Q2 verfügbar sein. „Im Kern waren uns zwei Themen wichtig. Auf der Datenseite wollten wir erreichen, dass PU das Tool unter Eingabe möglichst weniger eigener Daten nutzen können“, so Stiefermann. Ergänzend ist die Datenbasis der eingebundenen Dienstleister so umfangreich, dass sich damit schon sehr gut arbeiten lässt. „Zudem war lokale Flexibilität gewünscht. Über das geplante Webportal können unsere PU sehr einfach auf Änderungen in rechtlichen oder technischen Parametern reagieren.“

Zauberwort spartenübergreifende Planung

Neben Solaranlagen und Elektromobilität ist die Wärmepumpe eine der wichtigsten privaten Verbraucher in den Szenarien. „Wer lokal ein Wasserstoffnetz plant oder sich mit dem Ausbau von Nah- oder Fernwärmenetzen beschäftigt, wird in den betreffenden Hausanschlüssen deutlich weniger Bedarf an Wärmepumpen haben als bei solchen, die komplett auf Strom setzen“, erklärt Stiefermann. Deshalb hängen die zukünftigen Anforderungen an Stromnetze stark von den Ergebnissen der kommunalen Wärmeplanung ab. „Spartenübergreifende Planung ist das Zauberwort“, sagt Stiefermann und verweist auf die Nagelprobe, die im Projekt mit der ESWE in Wiesbaden durchgeführt wird. „Die Kollegen treiben dort die spartenübergreifende Planung voran. Ein erster Vergleich der Zwischenergebnisse zeigt, dass die Ergebnisse in die gleiche Richtung gehen.“

Maßgeschneiderte Prognosen fürs Niederspannungsnetz

  • Netzausbau nicht nach dem Gießkannenprinzip, sondern auf der Basis technischer, geografischer und sozio-ökonomischer Daten
  • Rasche, unkomplizierte Modellierung unterschiedlicher Nutzungsszenarien
  • Flexible, intuitive Nutzung und lokale Anpassungsmöglichkeiten per Webportal
  • Nutzung auf Lizenzbasis statt Eigenentwicklung oder Entwicklungsprojekt mit eigens gesuchten Dienstleistern
  • Ergänzung zur kommunalen Wärmeplanung