Künstliche Intelligenz unterstützt bereits viele Prozesse. Auch die Energiewirtschaft setzt auf Effizienzgewinne und hofft auf weitere Einsatzgebiete für die Technologie. Neben vielen Chancen gilt es auch, die Risiken von KI im Blick zu halten und eine Strategie für ihren Einsatz zu finden.

Die Energiewirtschaft treibt mehrere Transformationsprozesse gleichzeitig voran. Deutschland baut sein Energiesystem um, es geht um die Dekarbonisierung der Erzeugung von Strom und Wärme. Neue Vorgaben, Gesetze und Regeln lassen auch neue Geschäftsmodelle entstehen. Die Kundschaft von Versorgern erwartet heute mehr als Gas und Strom, Energieversorger arbeiten mit bei kommunalen Wärmeplanungen, liefern Wärmelösungen und Energiedienstleistungen wie PV oder Lösungen für die Elektromobilität. Dazu spüren die Versorger der Thüga-Gruppe die zunehmende Knappheit von Fach-Personal auf dem Arbeitsmarkt. „Künstliche Intelligenz bietet uns enorme Chancen“, sagt Oliver Herzog, Chief Information Officer (CIO) bei Thüga und verantwortlich für die Digitalisierung und kaufmännische Beratung in der Thüga Gruppe. „KI kann Routineaufgaben übernehmen, dadurch Raum für neue Themen schaffen und über die gesamte Wertschöpfungskette die Kreativität und Leistungsfähigkeit der Mitarbeitenden unterstützen.“ Laut einer Studie des amerikanischen National Bureau of Economic Research kann die Einführung von Künstlicher Intelligenz bei bestimmten Aufgaben einen Produktivitätssprung von 40 Prozent ermöglichen. Dafür wären sonst in der EU 43 Jahre natürlicher Produktivitätssteigerung nötig.

Regeln für KI schaffen

„Selten kommen Chancen ohne Risiken daher“, so Herzog. „Häufig entwickeln sich neue Technologien schneller als die Regeln für ihre Nutzung.“ Auch für den Einsatz von KI ist das problematisch, doch die Gesetzgeber waren aktiv. Herzog begrüßt dies: „Mittlerweile ist die Europäische Union mit dem AI-Act ein großes Stück weiter.“ Dieser stellt einen Pflichtenkatalog für „Hoch-Risiko-KI“ beispielsweise bei Anwendungen im Personalbereich oder bei kritischer Infrastruktur auf. Verstöße gegen die Regeln ahnden Behörden ähnlich wie Verstöße gegen die Datenschutzgrundverordnung. Für Unternehmen gilt es, ein Regelwerk, die sogenannte Governance, für den Einsatz von KI zu schaffen. „Wir müssen neben den Gesetzen viele weitere Dinge berücksichtigen“, erklärt Herzog. „Wenn wir eine KI wie im Microsoft Copilot einsetzen, gewähren wir ihr Zugriff auf Unternehmensdaten. Darum definieren wir genau, wie weit die Zugriffsrechte der KI gehen und welche Daten genutzt werden dürfen.“

Thüga-Gruppe arbeitet gemeinsam an Ideen

Um Ideen, Anforderungen und erste Aktivitäten der Thüga-Gruppe besser zu verstehen und um voneinander zu lernen, hat Thüga den Lenkungskreis KI ins Leben gerufen. Andreas Dezor, Experte für Digitalisierung im Kompetenzcenter Digitalisierung und kaufmännische Beratung bei Thüga, leitet den Austausch. „Für uns es wichtig, dass wir nicht bei null starten müssen“, sagt Dezor. „Wir haben unterschiedliche Anwendungen eingesetzt, haben Ideen und Erfahrungen und können voneinander lernen. Unter der Leitung von Sven Martens, Innovationsmanager bei Thüga, beschäftigt sich zum Beispiel eine Arbeitsgruppe mit der Erstellung einer KI-Strategie. Die evm macht mit und steht als Sparringspartner bereit. Andere Gruppen bearbeiten weitere Anwendungsfälle.“ Einige Anwender bei Mainova pilotieren gerade die Funktionen von Microsoft Copilot direkt in den Office-Anwendungen. Die Erfahrungen aus dem Projekt dienen der Arbeitsgruppe als Diskussionsgrundlage. „Bislang haben wir ein gemischtes Feedback“, sagt Marcel Wlotzka, Projektleiter bei Mainova. „Transkriptionen funktionieren zum Beispiel sehr gut, was Copilot in PowerPoint leistet, ist aber noch eher rudimentär.“

KI-Auge für die Netze

Die N-Ergie Netz betreibt ein Stromnetz von rund 28.000 Kilometern Länge. Um Schäden aufzuspüren, untersuchen die Netzexperten dieses momentan manuell. Der Plan: In Zukunft wollen sie das Netz mit Drohnen abfliegen. „Wir möchten eine KI trainieren, damit sie die Aufnahmen automatisiert auf Schadensbilder auswertet“, sagt Kornelia Götz, Digitalisierungsexpertin in der Unternehmensentwicklung der N-Ergie. „Die KI erkennt Beschädigungen schneller und wir sparen wertvolle Zeit bei der Auswertung unserer Videos.“

Intelligente Assistenten im Kundenservice

Die WEMAG setzt ihren Chatbot „WEMI 2.0“ bereits seit 2023 ein. Die KI des Bots basiert auf dem Chat GPT-Modell und beantwortet Online-Anfragen selbstständig. Oliver Maaß, Gruppenleiter Digitalisierung und Customer Experience, erläutert: „Unsere Kundinnen und Kunden interagieren gern mit unserem Chatbot, denn er ist als digitaler Assistent stets erreichbar und hilft ohne Wartezeiten. Wenn es doch menschliche Unterstützung braucht, ist auch eine Livechat-Übernahme in den Öffnungszeiten möglich.“ Das Bayerische Staatsministerium für Digitales hat das Programm „KI Transfer Plus“ ins Leben gerufen, um mittelständische Unternehmen bei der Einführung von KI zu unterstützen. Thüga Partnerunternehmen – auch außerhalb von Bayern – dürfen an den insgesamt 41 Workshops teilnehmen. Ziel des Programms ist es, kleine und mittelständische Unternehmen bei der Einführung von KI auf allen Ebenen zu unterstützen. „Mit unseren Einzelinitiativen, den Erfahrungen unserer Partner und der Arbeit des Lenkungskreises machen wir die Thüga-Gruppe fit für Künstliche Intelligenz“, so Herzog. „Wir sind fest davon überzeugt, dass KI in wenigen Jahren ein normales Tool im Arbeitsalltag der Stadtwerke sein wird. Wir haben die Weichen gestellt und freuen uns bis zum Ende des Jahres auf die Ergebnisse unserer Arbeitsgruppen.“