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Frau Bauer, Paragraf 27 regelt die Strombezugskriterien für erneuerbaren Wasserstoff. Was steht drin?
Offiziell regelt der delegierte Rechtsakt im Moment nur die Kriterien für erneuerbaren Wasserstoff im Verkehrssektor. Es ist aber unwahrscheinlich, dass es für die übrigen Sektoren andere Regelungen geben wird. Damit elektrolytisch erzeugter Wasserstoff als „grün“ gilt, muss er vier Hauptbezugskriterien erfüllen: Die Herstellung muss zeitlich und räumlich eng mit der der erneuerbaren Stromerzeugung verknüpft sein, der Strom muss aus erneuerbaren Energien wie Wind und Sonne stammen, und diese Anlagen müssen zusätzlich zu sowieso geplanten Anlagen errichtet werden.
Was ist der Knackpunkt?
Kritisch ist vor allem die Zusätzlichkeit. Mit bestehendem erneuerbarem Strom aus dem Netz kann kein grüner Wasserstoff erzeugt werden. Die Kommission schreibt vor, dass dafür EE-Anlagen zusätzlich zum bereits definierten Ausbauziel errichtet werden müssen. Bestandsanlagen können nur verwendet werden, wenn sie bei Start der Elektrolyse nicht älter als 36 Monate sind. Bis 2027 gilt zwar eine Übergangsphase, in der die Kriterien etwas lockerer sind. Wenn man aber berücksichtigt, dass es im Schnitt sieben Jahre dauert, bis ein Windpark ans Netz gehen kann, wird es knapp. Was auch klar sein muss: Je aufwendiger die Kriterien sind, umso teurer wird der Wasserstoff und umso weniger Kunden werden diesen teuren Wasserstoff nutzen. Das ist insbesondere in der frühen Phase der Marktdurchdringung kritisch.
Also mehr PV und Windanlagen?
Ja, allerdings warten Entwickler von Windparks und Solaranlagen nicht auf Power-to-Gas-Anlagen. Für sie ist es oft attraktiver, ihren Strom über Power Purchase Agreements an sichere Großabnehmer wie beispielsweise Ikea zu verkaufen und nicht an Elektrolyse-Anlagen, die noch nicht mal genehmigt sind. Das behindert die Umsetzung von Elektrolyse-Projekten massiv. Aktuell ist es schwierig abzuschätzen, ob sich Projektentwickler in Deutschland für Wind und PV künftig auf Wasserstoff einlassen. Wir sehen die Gefahr, dass Unternehmen grünen H2 lieber außerhalb Europas produzieren, und es würde wohl eine Zeit dauern, bis die Politik das bemerkt. So wird Europa nicht der Leitmarkt für Wasserstoff.
Warum hat der delegierte Rechtsakt so lange auf sich warten lassen?
Wir haben hier ein politisches Spannungsfeld. Auf der einen Seite will die Kommission den Hochlauf einer Wasserstoffwirtschaft und benennt dafür ambitionierte Ziele, auf der anderen Seite setzen sich NGOs stark dafür ein, dass auf keinen Fall Wasserstoff als grün anerkannt wird, der mit konventionellem oder gar Kohlestrom produziert wird. Dazu kommen Industriebetriebe, die Mehrkosten durch zu strenge Kriterien für grünen Wasserstoff fürchten und Investitionssicherheit fordern. Unser Ansatz vom Dezember 2020 (!) wären eher lockere Kriterien zu Beginn, die dann schrittweise verschärft werden.
Aber es geht doch darum, die Rahmenbedingungen für einen Markthochlauf zu schaffen?
Wir sehen es konkret am Reallabor WESTKÜSTE100, an dem sich Thüga beteiligt, wie die schwierigen Rahmenbedingungen für grünen Wasserstoff eine Investitionsentscheidung behindern. Aus unserer Sicht ist Power-to-Gas nur unter bestimmten Bedingungen gewollt und wird im Vergleich zu Elektromobilität benachteiligt. Der für E-Mobilität benötigte Strom muss weder zeitgleich erzeugt werden noch aus in räumlicher Nähe stehenden erneuerbaren Quellen stammen. Das wird über den sowieso stattfindenden Zubau erneuerbarer Energien begründet. Bei Elektrolyseuren und grünen Gasen wird mit anderem Maß gemessen.
Was unternimmt Thüga?
Wir haben zusätzlich zu unseren ersten sehr konkreten Umsetzungsideen mit der PtX-Allianz aus 2020 innerhalb der gerade abgeschlossenen Konsultationsphase zwei Positionspapiere bei der EU-Kommission eingereicht, eins mit Absender Thüga und das zweite gemeinsam mit den Konsortialpartnern aus WESTKÜSTE100. Thüga schlägt unter anderem vor, die 90-Prozent-Kriterien auf kleinere Bereiche wie Verteilnetze anzuwenden, um eine Abregelung von künftigen EE-Anlagen zu vermeiden und die Stromverteilnetze zu entlasten. Die Übergangphase mit gelockerten Kriterien sollte angesichts der langen Genehmigungszeiten für Windkraftanlagen bis 2030 verlängert werden. Außerdem sollte jegliche Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien zugelassen werden, die während der Zeit der Stromerzeugung für Power-to-Gas keine Förderung erhält. Wir begleiten den Prozess weiterhin intensiv und sind auf die Ausgestaltung auf nationaler Ebene gespannt – die nächste Hürde, die vor einer Investitionsentscheidung noch genommen werden muss.