Die Reform des europäischen Strommarkts ist beschlossen. An einigen Stellen hätte sich die Thüga weitergehende Regelungen gewünscht. Umso wichtiger sind nun die nationale Kraftwerksstrategie, mit der die Bundesregierung ein Konzept erarbeitet, und die Novellierung des Kraft-Wärme-Kopplungs-Gesetzes, das ohne Anpassung 2026 ausläuft. 

Am Ende ging alles ganz schnell. Kurz vor Jahresende 2023 kam die Reform des Ordnungsrahmens für den europäischen Strommarkt aus dem Trilog zurück. Europäisches Parlament, Europäischer Rat und Europäische Kommission einigten sich auf die Formulierungen der einzelnen Gesetzestexte – und damit auf Anpassungen beim europäischen Strommarktdesign. Die Thüga hat sich mit einer Projektgruppe intensiv an den Konsultationen beteiligt und ihre Haltung auch über den Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW), den Verband Kommunaler Unternehmen (VKU) sowie den Europäischen Verband der lokalen Energieunternehmen (CEDEC) adressiert. „Wir finden uns an vielen Stellen mit unseren Forderungen durchaus wieder“, berichtet Bernhard Vogt, der die Thüga-Stabsstelle Energiepolitik beim Thema Strommarktdesign unterstützt. „An einigen anderen hätten wir uns aber gerade mit Blick auf die Versorgungssicherheit weitergehende Regelungen gewünscht.“

Lohnendes Vorhalten von Erzeugungskapazitäten  

Wenngleich stellenweise stärker reguliert, beruht der europäische Strommarkt weiterhin auf dem Energy-Only-Prinzip: Erlöse erhalten Stromerzeuger nur für die im Markt gelieferten Strommengen, nicht für das Vorhalten von Kraftwerken. Neu ist, dass Eingriffe über Kapazitätsmechanismen aufgewertet werden – vom temporären Ausnahmeinstrument bei drohenden Versorgungsengpässen zum Standardinstrument. Bis zum Jahresende soll die Europäische Kommission konkrete Regelungen ausarbeiten, um die Verfahren zur Einführung von Kapazitätsmechanismen zu vereinfachen und zu beschleunigen. Diese erlauben es, dass sich nicht nur die tatsächliche Bereitstellung von Strom lohnt, sondern auch das Vorhalten von zusätzlichen Kapazitäten. Die zusätzliche Einnahmequelle soll Investitionen in steuerbare Kraftwerke begünstigen und sich in einer höheren Versorgungssicherheit niederschlagen. 

Stärkung der Langfristmärkte durch CfDs und PPAs  

Ein ebenfalls beschlossenes Instrument zur Förderung des Baus neuer Kraftwerke stellen sogenannte zweiseitige Differenzverträge (Contracts for Difference, kurz CfDs) dar. Dabei vereinbaren Staaten und Stromerzeuger einen garantierten (Mindest-) Strompreis. Liegt der aktuelle Börsen-Strompreis darunter, würde der Staat die Differenz übernehmen. Liegt er darüber, müsste der Erzeuger die Differenz an den Staat abgeben. 

Auch bei langfristigen Lieferverträgen zwischen Stromproduzenten und großen Stromverbrauchern (Power Purchase Agreements, kurz PPAs) geht es voran, insbesondere in puncto Förderung von Investitionen in erneuerbare Energien: EU-Mitgliedsstaaten können nun marktbasierte Preisgarantien grüner PPAs fördern. 

Lokale und regionale Potenziale optimal nutzen 

Die Erweiterung des „Energy Sharings“, bei dem Verbraucher: innen Strom mit anderen Personen teilen können, gehört auch zu der Einigung beim neuen EU-Strommarktdesign. Vorgesehen sind Energy-Sharing-Plattformen, über die gemeinsam eingekaufte Strommengen innerhalb einer Gebotszone unter Abnehmer:innen aufgeteilt werden können. Die EU-Mitgliedsstaaten können das „Energy Sharing“ auch auf kleinere Einheiten als die jeweilige Gebotszone beschränken. Wegen der Kürze der Zeit seien die Kommunen in der EU-Einigung beim Strommarktdesign kaum eingebunden worden. „Das halten wir für einen Fehler: Die Energiewende lässt sich nur zeitnah und kosteneffizient umsetzen, wenn wir die jeweils vorhandenen lokalen und regionalen Potenziale optimal nutzen“, so Vogt. Regional komme es bereits heute zu Engpässen in der Stromversorgung wegen zu geringer Kapazitäten in der Stromerzeugung sowie im Stromnetz. 

Verlängerung der Förderung bis mindestens 2035

Nach der Einigung in Brüssel richtet sich der Fokus in der Thüga nun auf die nationale Kraftwerksstrategie und die Novellierung des Kraft-Wärme-Kopplungs-Gesetzes (KWKG). Diese Maßnahmen sind nach Thüga-Einschätzung für die Aufrechterhaltung einer sicheren Stromversorgung auch nach 2030 dringend erforderlich. Wichtig aus Perspektive des Experten: „Gerade, wenn der Wind nicht weht und die Sonne nicht scheint, schlägt die Stunde der KWK-Anlagen. Sie können einen wesentlichen Teil der erforderlichen Kapazität sicher und kosteneffizient bereitstellen.“ Die Kraft-Wärme-Kopplung braucht aber dringend langfristig verlässliche Rahmenbedingungen. Um Investoren die nötige Sicherheit zu bieten, setzt sich die Thüga für die Verlängerung der KWK-Förderung bis mindestens 2035 ein. Darüber hinaus hat sie die Einführung von regionalen Kapazitäts- und Flexibilitätsmärkten in die politische Diskussion eingebracht. „Diese könnten Knappheitssignale senden, um einerseits auf Verbrauchsseite die Nutzung von Flexibilität zu fördern, andererseits mittelfristig den Bau zusätzlicher Kraftwerkskapazitäten in einer Region anreizen“, erklärt Vogt.