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Kommunen leisten Daseinsvorsorge für die Menschen – das reicht von Heizung über Schwimmbäder bis hin zu Spielplätzen oder Kulturveranstaltungen. Energiewende und Klimaneutralität sind dabei beherrschende Themen neben den vielen anderen, die ein Bürgermeister ausbalancieren muss. Udo Glatthaar, Oberbürgermeister von Bad Mergentheim und Vorsitzender des Thüga-Beirats, spricht im Interview über Daseinsvorsorge, kommunale Wärmeplanung und die Unterstützung der Thüga.
Herr Glatthaar, Daseinsvorsorge ist ein großer Begriff. Was verstehen Sie darunter?
Daseinsvorsorge ist das elementare Grundgerüst, das der Staat auf seinen verschiedenen Ebenen für das Zusammenleben der Menschen anbietet. Für uns Kommunen ist Daseinsvorsorge unser gesamtes Angebot an die Bevölkerung: Energieversorgung, ÖPNV, Straßenbau, Müllabfuhr, Krankenhäuser, Rettungsdienste und noch vieles mehr. Daseinsvorsorge betrifft eigentlich alles von der Wiege bis zur Bahre.
Und es kommen ständig neue Themen dazu. Vor einiger Zeit war Internet noch Luxus, heute ist es Teil der Daseinsvorsorge. Wir brauchen Breitband, wir brauchen Mobilität – Daseinsvorsorge ist Zukunft.
Wie gehen Kommunen und Stadtwerke mit dieser Entwicklung um?
Wir haben uns in den letzten Jahren viel damit beschäftigt, welche neuen Geschäftsfelder wir erschließen wollen. Um damit Gewinn zu erzielen, müssen wir investieren. Wir brauchen also eine Strategie. Zum Beispiel kann ein Stadtwerk eine gewisse Infrastruktur an Glasfaser bereitstellen, vielleicht sogar auch einigen Gewerbekunden einen Tarif anbieten, aber nicht komplett ins Telekommunikationsgeschäft einsteigen.
Andererseits ist die Gefahr groß, dass wir Kommunen von Dienstleistern verdrängt werden, die in fremde Branchen vordringen. Ein Beispiel sind die Strom-Billiganbieter, deren Kundschaft unsere Stadtwerke für hohe Zusatzkosten auffangen muss, wenn sie insolvent sind. Das haben wir ja gerade erlebt. Also: Stadtwerke haben die Chance, in der Zukunft eine genauso starke Rolle wie heute zu spielen. Sie müssen sich aber weiter ausdifferenzieren.
Und die Forderungen der Politik umsetzen. Stichwort kommunale Wärmeplanung: Laut Koalitionsvertrag müssen 50 Prozent der benötigten Wärme bis 2030 klimaneutral erzeugt werden. Wie gelingt das in Bad Mergentheim?
Wir haben gemeinsam mit unserem Stadtwerk Tauberfranken und externen Profis eine Wärmeplanung auf die Beine gestellt, die wir bis Ende 2023 vorlegen werden.
Und wir sind bereits einen großen Schritt in Richtung Energiewende gegangen, als wir im Jahr 2012 unser Naturwärmekraftwerk in Betrieb genommen haben. Es verbrennt in einem Biomassekessel Holzhackschnitzel; ein zusätzlicher Gaskessel fängt eventuelle Lastspitzen ab. Das Holz stammt aus der Waldbewirtschaftung, aus Straßenbegleitgrün oder aus der Landschaftspflege. Zu 95 Prozent kommt es aus einem Umkreis von 50 Kilometern; wir haben Verträge mit den drei umliegenden Landkreisen und einem privaten Anbieter. Damit ist die Lieferung für die nächsten zehn bis 15 Jahre gesichert und die Preise sind stabil. Während die Holzpreise steigen, werden Holzabfälle nicht teurer.
Eine clevere Lösung.
Sie entstand durch den Wunsch, mit der Naturwärme das Mineralwasser unserer Therme aufheizen. Dann haben wir größer gedacht: Anstatt nur eine Leitung vom Kraftwerk zur Therme zu legen, haben wir die Innenstadt mit Leitungen durchquert und damit parallel ein großes Straßenbau-Sanierungsprogramm angestoßen. An unser Nahwärme-Netz sind bereits große Energieabnehmer sowie städtische Gebäude, die Kurverwaltung und private Wohngebäude angeschlossen. So sind wir in großen Teilen unabhängig vom Energiemarkt, obwohl Gas tatsächlich die zweite große Wärmequelle darstellt.
Mit dem Naturwärmekraftwerk waren wir innerhalb weniger Jahre voll ausgelastet. Die Absatzmenge pro Jahr beträgt 35 Millionen Kilowattstunden Wärme und 7 Millionen Kilowattstunden Strom, die CO2-Einsparung liegt bei 13.500 Tonnen.
Wir hatten vorgesehen, die Naturwärme in den nächsten Jahren vorsichtig zu erweitern. Durch den absehbaren Wegfall von Erdgas wird das jetzt schneller nötig.
Welche Chancen bietet die kommunale Wärmeplanung?
Sie ist eine Notwendigkeit für eine klimaneutrale Wärmeerzeugung unter Berücksichtigung bestehender Gas-Infrastruktur. Für die Kommune stellt sie einen wichtigen Schritt hin zu nachhaltiger, eigenverantwortlicher und wertschöpfender Energieversorgung dar. Daher sehe ich eine bundesweit verpflichtende Wärmeplanung als zielführendes Instrument. Das habe ich innerhalb der Taskforce des Thüga-Beirats vorgeschlagen und der BDEW hat den Vorschlag übernommen.
Ich halte eine Verpflichtung für Kommunen ab 20.000 Einwohnenden für sinnvoll – allerdings plädiere ich dafür, mutig zu sein und bereits ab 10.000 oder 15.000 Einwohnenden eine solche Verpflichtung einzuführen, damit sich eine gewisse Breitenwirkung entfaltet. Kommunen mit weniger Einwohnenden können die Wärmeplanung auf freiwilliger Basis einführen.
Aus meiner Sicht ist auch vorteilhaft, dass Kommunen die Wärmeplanung mit Profis umsetzen müssen und dadurch nicht nur im eigenen Saft schmoren. Wichtig dabei: Wir müssen es schaffen, dass verschiedene Kombinationen akzeptiert werden. Eine Kommune hat mehr Wasserkraft, die andere mehr Wind, die Dritte kann wie wir ein Naturwärmeverfahren nutzen. Wir dürfen uns nicht auf einzelne Techniken beschränken – unser Hauptaugenmerk muss darauf liegen, Energie zu sparen und klimaneutraler, ökologischer zu werden.
Wie unterstützt Sie das Thüga-Netzwerk?
Thüga als strategischer Partner hilft uns, die Leistungen unseres Stadtwerks noch zu professionalisieren. Wir nutzen Know-how und Erfahrungen der über 100 Thüga-Beteiligungen, müssen manchen Fehler nicht selbst machen. Wir erhalten Vorschläge, die gut durchdacht sind, und auch kritische Unterstützung – das ist wichtig! Ich habe die Chance, größere Themen auch mit Thüga-Kollegen und in den Thüga-Gremien zu reflektieren, sodass man einen guten Gradmesser für eine Entscheidung hat.
Die Thüga hilft uns auch, Zukunftsthemen zu sondieren, sei es Klimaschutz, Smart City oder Digitalisierung, sodass wir als kleines Stadtwerk eine Chance gegenüber großen, europaweit tätigen Unternehmen haben.
Thüga repräsentiert darüber hinaus die kommunalen Unternehmen in Berlin und Brüssel und setzt politisch Themen. Das ist wichtig und richtig, denn den Umbruch im Energiesektor, in der Daseinsvorsorge, können wir nur in einem starken Netzwerk bewältigen.
Ihr Blick in die Zukunft?
Bei der Vielfalt der neuen Geschäftsfelder darf man sich nicht verzetteln. Sie bergen Risiken, aber genauso die Chance, mit modernen Angeboten die kommunale Infrastruktur auf die Zukunft auszurichten. Das Schöne ist: Die Leute nehmen es an, wenn wir kleine Windparks, Freiflächenphotovoltaik und Naturwärme als Beteiligungsmöglichkeiten anbieten. Je mehr wir solche regionalen Projekte forcieren, desto interessierter sind die Menschen, in der eigenen Region zu investieren.
Solche Modelle funktionieren aber auch mit umliegenden Kommunen. Sie können sich an allen Anlagen mit größerem Volumen und sogar an unserem Stadtwerk selbst beteiligen. Wir haben eine Beteiligungsgesellschaft gegründet, zu der die Stadt und die Thüga Anteile abgegeben haben. Das bringt eine stärkere Vernetzung der eigenen Geschäftskontakte mit sich sowie Konzessionen für Gas, Wasser und Strom für die nächsten Jahre. Und es ist eine Chance für das Stadtwerk Tauberfranken, sich weiter regional zu etablieren. Damit betreiben wir für die Menschen vor Ort echte Daseinsvorsorge, denn die Wertschöpfung bleibt in der Region.