Beim Hochlauf des Wasserstoffmarktes geht es selten ohne öffentliche Förderung. Was braucht es, um sich zu bewerben? Die Stadtwerke Wertheim sind bei einer Ausschreibung zu Erzeugungskapazitäten angetreten – und zeigen exemplarisch, wie es gehen kann.

Eins hält Thomas Beier, Geschäftsführer der Stadtwerke Wertheim, gleich fest: „Wer mit dem Projektplan wartet, bis das passende Förderprogramm aufgelegt wird, wird meist zu spät kommen.“ Die Stadtwerke Wertheim haben frühzeitig mit Vorbereitungen angefangen. Beier: „Als wir uns entschlossen haben, bei der ersten Auktion der Europäischen Hydrogen Bank (EHB) teilzunehmen, waren wir schon über ein Jahr mit Wasserstoff beschäftigt.“ Einer der Meilensteine war Anfang 2023 die Gründung der Projektgesellschaft H2 Main-Tauber GmbH. In Kooperation mit dem Steinbeis-Innovationszentrum wollten interessierte Unternehmen der Region eine Machbarkeitsstudie zum Thema Wasserstoff – eine solide Basis für die EHB-Unterlagen.

Förderung funktionierender Ökosysteme

Ein Gesamtvolumen von 800 Millionen Euro im ersten Durchgang, das am Ende unter mehreren Projekten aufgeteilt wird, machte die Bewerbung bei der EHB-Auktion attraktiv. Zudem wurde ein deutscher Fördertopf von 350 Millionen Euro eingerichtet. Kern der Ausschreibung: Gefördert wird nicht ein Anteil an den zu erwartenden Investitionskosten, sondern der Preis für den erzeugten Wasserstoff. Mehr als 130 Unternehmen aus 17 Nationen reichten ihre Projekte ein. „Sie hatten wie wir am Ende einen Betrag für den zu erwartenden Wasserstoffpreis hochgerechnet“, erläutert Rafael Romero, Abteilungsleiter Finanzen der Stadtwerke Wertheim. Das sorgt für Preistransparenz über Landesgrenzen hinweg. „Die EU will keine Bauten fördern, sondern funktionierende Ökosysteme. Das Geld fließt also erst, wenn der Wasserstoff wirklich strömt.“ Wer den Wasserstoff möglichst günstig anbieten kann und eine möglichst geringe Förderung beantragt, hat die besten Chancen, die Auktion zu gewinnen.

Netzwerk als Lösungskonzept

Dabei treten die Wertheimer gegen Standorte an, die aufgrund einer deutlich höheren Ausbeute an Sonnen- oder Windstrom die Gestehungskosten für grünen Strom signifikant dämpfen können. Aber das ficht die Stadtwerke Wertheim nicht an. Eher stärkt es den sportlichen Ehrgeiz, ihren Preis auf andere Weise wettbewerbsfähig zu machen: mit einem mehrdimensionalen Lösungskonzept und einem Netzwerk von Unternehmen, die Interesse an ihrem jeweiligen Teil des Ökosystems nachweisbar bekunden. Beier: „Für die Ausschreibung werden keine Vorverträge mit Lieferanten oder Abnehmern verlangt. Aber unterschriebene Absichtserklärungen – Letters of Intent – sollten es schon sein.“ Entsprechend zahlreich waren die Gespräche mit den möglichen Partnern vor Ort.

Grafik Förderantrag

Das gehört zu einem Förderantrag bei der EHB (Europäischen Hydrogen Bank).

Ankerkunde als Basis

Mit dem lokal ansässigen Industriegaselieferanten Guttroff signalisierte ein Unternehmen mit Erfahrung im Gasegeschäft verlässliches Interesse. „Ein zweites Standbein ergibt sich über die nahe gelegene Autobahn. Wir sind mit einem bundesweit führenden Betreiber von Wasserstofftankstellen im Gespräch“, ergänzt Beier. Über die Thüga Erneuerbare Energien (THEE) konnten sich die Wertheimer das nötige Kontingent an grünem Strom sichern. Insgesamt soll die Elektrolyse-Kapazität in Wertheim mit mehreren kleinen Elektrolyseanlagen auf rund 100 MW anwachsen. Ein möglicher Standort ergab sich aus der Lage des Gewerbegebiets in der Nähe der Autobahn. Pläne zur Nutzung der Abwärme aus der Elektrolyse sowie zum Einsatz des Beiprodukts Sauerstoff in der lokalen Kläranlage ergänzen das Konzept. Zwei lokale Banken unterstützen die Finanzierung, Modelle zur Bürgerbeteiligung inklusive. Beier: „Dass eine der Trassen der in Bau befindlichen bundesweiten Wasserstoffautobahnen in Deutschland unweit von Wertheim vorbeiführt, komplettiert das Gesamtprojekt.“ Genauso wie das geplante Umspannwerk, über das der gesamte erwartete Strombedarf gemanagt werden soll.

Begleitung komplexer Projekte

„Mit der Wasserstoffplattform der Thüga-Gruppe können wir solche komplexen Projekte und die Fördermittelbeantragung begleiten“, sagt Béatrice Angleys, Leitung H2-Plattform. „Vom Screening der vielfältigen Förderprogramme bis zum geeigneten Zuschnitt der Projekte können wir unterstützen – nicht zuletzt über den Austausch per Fördermittelstammtisch.“ Das Kernstück der Wertheimer Bewerbung profitierte ebenfalls von einem Thüga-Tool: Die detaillierte Budgetberechnung enthält Kennzahlen aus dem Thüga-Business-Case-Rechner.

Formale Anforderungen einhalten

In Projektkonzeption und Bewerbungsverfahren stecken viele Gespräche, Überzeugungsarbeit, Kreativität und Wille zum Erfolg. „Allerdings“, so Romero, „sollten vor allem die Unterlagen vollständig und plausibel sein.“ Wer Fristen nicht einhält oder einen Lebenslauf vergisst, droht in der ersten Runde des Wettbewerbs rauszufliegen – unabhängig von den geplanten Gestehungskosten für den Wasserstoff. Nach Abschluss der ersten EHB-Ausschreibungsrunde ist klar: Unter den 25, die einen Zuschlag bekommen haben, ist kein deutsches Projekt. Die Entscheidungen über den deutschen Fördertopf und die zweite EHB-Ausschreibungsrunde stehen noch aus. Die Stadtwerke Wertheim bleiben weiter dran. Beier: „Aus meiner Sicht ist es nicht die Frage, ob wir eine Förderung erhalten, sondern wann.“