Auf den ersten Blick hat die EU-Entwaldungsverordnung (EU Deforestation Regulation, EUDR) wenig mit dem Geschäft von Energieversorgern zu tun. Auf den zweiten allerdings sehr wohl, wie Cornelia Rotolo aus der Stabsstelle Nachhaltige Beschaffung und Lieferantenmanagement bei badenovaNETZE weiß: „Die Verordnung betrifft uns, wenn wir beispielsweise Strommasten aus Holz an die Stadt weiterverkaufen oder in der Kantine Rindfleisch, Kaffee und Palmöl nicht nur für den Eigenverbrauch verarbeiten.“ Auch Kakao, Kautschuk und Soja nennt die Verordnung explizit.
In Anwendung ab dem 30. Dezember 2024
Die EUDR-Verordnung regelt für alle EU-Mitgliedsstaaten, dass bestimmte Rohstoffe und Erzeugnisse nur noch unter Bedingungen ein-, ausgeführt oder bereitgestellt werden dürfen: wenn sie nicht mit Entwaldung und Waldschädigung in Verbindung stehen sowie nach den einschlägigen Rechtsvorschriften des Ursprungslandes erzeugt wurden und dafür auch eine Sorgfaltspflichtenerklärung vorliegt.
Am 30. Juni 2023 ist die EU-Entwaldungsverordnung in Kraft getreten und abhängig von der Unternehmensgröße ab dem 30. Dezember 2024 oder dem 30. Juni 2025 anzuwenden. Bei Verstößen sind teils massive Sanktionen vorgesehen, darunter Bußgelder von bis zu vier Prozent des Jahresumsatzes.
Lücken identifizieren, Risiken minimieren
Nachhaltigkeit ist komplex, insbesondere in der Lieferkette. Ein Kontext, in dem das Nachhaltige BeschaffungsNETZWERK der Thüga wertvolle Unterstützung bietet: Die Mitglieder tauschen sich regelmäßig online aus. Mehrmals im Jahr treffen sie sich zudem vor Ort in München. So können sie sich schnell und unkompliziert über neue Entwicklungen informieren und Best Practices teilen. Diese Synergien entlasten die Verantwortlichen bei den Partnerunternehmen und erleichtern ihnen die Arbeit. Nicht nur, aber eben auch beim EUDR.
„Ähnlich wie beim Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) rückt auch beim EUDR die Nachvollziehbarkeit der gesamten Lieferkette zunehmend in den Fokus“, erklärt Steffi Kirchberger, Mitgründerin des JARO Institut für Nachhaltigkeit. Lieferketten analysieren, Lücken identifizieren, Risiken minimieren – so nennt Kirchberger die Leitplanken, zwischen denen Energieversorger das Thema zielorientiert anpacken sollten.
Raus aus der Komfortzone
„Am besten starten Unternehmen damit, ihre Lieferketten für relevante Produktgruppen sorgfältig zu überprüfen“, rät die Expertin, deren Institut das Netzwerk für die Thüga koordiniert. „Wir müssen raus aus der Komfortzone und brauchen einen echten Know-how-Lift: Was genau bringen wir eigentlich mit unseren Produkten auf den Markt? Welche Probleme könnten damit in der vorgelagerten Lieferkette verbunden sein?“
Das richtige Rollenverständnis sei dabei entscheidend. Wer als Händler oder Bereitsteller auftrete, müsse andere Sorgfaltspflichten wahrnehmen als ein klassischer kleiner Marktteilnehmer. Zum Beispiel hinsichtlich des Nachweises von Herkunftsflächen oder der Einhaltung lokaler Gesetze. Nicht alles müssten sich die Energieversorgungsunternehmen dabei komplett selbst erarbeiten. „Es gibt online verfügbare Software-Applikationen, die leicht bedienbar sind und ohne große Vorkenntnisse wertvolle Hilfestellung leisten bei der Risikoanalyse und dem Monitoring.“
Rückverfolgbarkeit bis zum Ursprung
Diese beiden Punkte – Risikoanalyse und Monitoring – seien so etwas wie die rechtlichen Dreh- und Angelpunkte der EUDR-Verordnung, sagt der ebenfalls im Nachhaltigen BeschaffungsNETZWERK vertretene Rechtsanwalt Dirk Seeburg (BAY GmbH). „Einfach nur ein paar Sätze in den AGB zu ergänzen, das wird nicht reichen. Der EU geht es um die klare Rückverfolgbarkeit der Produkte bis zu ihrem Ursprung.“
Abhängig von der Risikobewertung und ihrer Größe seien die Lieferanten dabei durchaus eng zu kontrollieren. „Zum Beispiel, ob die Referenznummern ihrer Sorgfaltserklärungen übereinstimmen“, sagt Seeburg. Bei kleineren Lieferanten würden dagegen gelegentliche Stichproben genügen. „Wichtig ist, dass man bei einer Prüfung durch die zuständigen Behörden plausibel darlegen kann, die Anforderungen auf probate Art und Weise zu erfüllen. Das wird bei jedem Energieversorgungsunternehmen ein bisschen anders sein.“
Neue Rolle als Lieferantenmanager
Klar ist dagegen, dass sich die Rolle der Einkäufer weiter verändern wird, auch mit der EUDR-Verordnung. „Sie werden künftig weniger als klassischer Einkäufer denn als umfassender Lieferantenmanager arbeiten“, prophezeit Seeburg.
Das ist nichts, das badenovaNETZE-Einkäuferin Cornelia Rotolo Sorgen bereiten könnte. Eher ist das Gegenteil der Fall. „Die Wichtigkeit des Einkaufs wird dadurch unterstrichen und hervorgehoben. Die Rolle des Einkaufs wird immer strategischer, um die Versorgungssicherheit zukünftig weiterhin gewährleisten zu können.“ Bei der EUDR gelte ebenfalls: „Weil die Blaupause fehlt, ist es am Anfang herausfordernd. Aber mit jedem Prozessschritt, den wir etablieren, wird es einfacher – bis sich am Ende die Routine einstellt.“