Auch in einem klimaneutralen Energiesystem und trotz umfassender Elektrifizierung bleiben bedeutende Teile von Industrie sowie Strom- und Wärmeversorgung auf grüne Gase angewiesen. Die Gasverteilnetze werden deshalb ganz und gar nicht überflüssig. 

Das Gasverteilnetz in Deutschland ist rund 550.000 Kilometer lang. Wesentliche Abschnitte davon können sinnvoll weitergenutzt werden, auch wenn der Umstieg auf regenerativ erzeugte Energien voranschreitet. Denn im vorhandenen Gasnetz können auch Wasserstoff, Biomethan oder synthetisches Erdgas transportiert werden. Damit ist und bleibt es das Fundament für eine künftig klimaneutrale Gasversorgung.

Grüne Gase für die Industrie

Der Chemiesektor ist für Kunststoffproduktion oder Ammoniaksynthese auf Wasserstoff angewiesen. Die Stahlindustrie hat ihre Umstellung auf diesen bereits begonnen. In der Lebensmittelindustrie gehört die Bereitstellung von Wärme und Dampf mit Erdgas zu den wesentlichen Prozessen. Bald werden deshalb grün erzeugter Wasserstoff, Biomethan und synthetisches Erdgas bislang noch fossile Ausgangsstoffe in der Industrie ersetzen. Auch die grünen Gase müssen zu den Produktionsstätten gelangen – wofür das Gasverteilnetz als alternativlos gilt. 

Versorgungssicherheit wahren

Welche Auswirkungen Abhängigkeiten von Energieträgern und -lieferanten haben können, bekam Deutschland gerade im Jahr 2022 schmerzlich zu spüren. In einem resilienten Energiesystem sind grüner Wasserstoff und Biomethan als zusätzliche Option für eine robuste Transformation hin zur Klimaneutralität unverzichtbar. Doch angesichts der hohen Innovationsdynamik besteht oft noch keine Gewissheit, welche Energieträger in welchen Anwendungen wann und in welcher Menge eingesetzt werden. Gute Gründe, die wesentlichen Abschnitte des 550.000-Kilometer-Gasverteilnetzes unter Deutschlands Boden nicht vorschnell stillzulegen.  

Rückgrat für die Sektorenkopplung

Die Kopplung von Strom-, Wärme- und Gasnetzen mit dem Mobilitätssektor gehört zu den Schlüsseltechnologien der Energiewende. Infrastrukturen, über die bislang vorwiegend Erdgas transportiert wird, legen dabei das Fundament für eine künftig klimaneutrale Gasversorgung. Die nötige H2-Readiness lässt sich durch die Ertüchtigung einzelner Komponenten mit relativ geringem Aufwand umsetzen. Wo sich Gasanwendungen vollständig durch Elektrifizierung ersetzen lassen, steht der Stilllegung von Gasverteilnetzen aber nichts entgegen. 

Regional erzeugte Energie muss auch regional transportiert werden

Das zukünftige Energiesystem verbindet Gasnutzer mit einer höheren Anzahl dezentraler Erzeuger von grünem Wasserstoff und Biomethan. Daher ist es in jedem Fall sinnvoll, wesentliche Teile des bestehenden Netzes zu transformieren. Zudem betreiben viele Unternehmen als flexible Spitzenlastkraftwerke ausgelegte KWK-Anlagen. Schon heute werden die Anlagen in der Regel H2-ready ausgelegt, wodurch sich eine direkte Austauschbarkeit von Erdgas durch grünen Wasserstoff ergibt. 

Die Energiewende benötigt Speicher

Bläst der Wind kräftig und scheint die Sonne stark, entsteht meist mehr Strom, als das öffentliche Stromnetz aufnehmen kann. Wenn diese regenerativ erzeugte Energie per Power-to-Gas zu Biomethan umgewandelt und in Zeiten geringer Stromerzeugung sowie in der Winterperiode verstromt wird, ließe sich die Lücke zwischen Angebot und Nachfrage ausgleichen. Knapp 50 Gasspeicher sind ans deutsche Gasverteilnetz angeschlossen. Das Volumen in den Rohren und Speichern reicht, um ganz Deutschland mehrere Monate mit Strom und Heizenergie zu versorgen.