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Abwärme spielt eine Schlüsselrolle bei der Energiewende in Deutschland. Sie entsteht als Nebenprodukt bei zahlreichen Produktionsprozessen. Ein Großteil entweicht aktuell noch ungenutzt in die Umgebung. Thüga-Partnerunternehmen investieren, um diese Energiequelle zu nutzen und den CO₂-Ausstoß zu verringern.
Deutschland hat sich ehrgeizige Klimaziele gesetzt. Bis 2030 muss der Anteil der erneuerbaren Energien bei der Wärmeversorgung bei 50, 2045 bei 100 Prozent liegen. Aktuell beträgt er magere 16 Prozent. Umso wichtiger, dass auch die Stadtwerke alle Möglichkeiten prüfen und nutzen – auch solche, die bislang eine eher untergeordnete Rolle spielen. Welche Möglichkeiten für eine Transformation der Wärmeversorgung gibt es? Neben dem Einsatz von Geothermie und Biomasse könnte auch Abwärme eine wachsende Bedeutung zukommen. In einer dreiteiligen Serie stellen wir Ihnen die verschiedenen Optionen vor.
Abwärme gilt als eine der größten ungenutzten Energiequellen in Deutschland. Sie entsteht bei der Stahl-, Zement- und Papierherstellung sowie in vielen anderen erzeugenden Betrieben wie in der Chemiebranche. Zudem ist die Abwärme von Rechenzentren, Kühl- und Biogasanlagen oder aus Abwässern von Wasch- oder Färbeprozessen für Heizungszwecke und Warmwasserbereitung nutzbar. Verwenden Betriebe die anfallende Abwärme nicht selbst, können sie diese Dritten zur Verfügung stellen – etwa für Trocknungsprozesse in der Landwirtschaft, aber auch zur Wärmeversorgung von Gebäuden und die Warmwasserbereitung.
Letzteres ist für Thüga-Partnerunternehmen hochinteressant. Denn die Nutzung von Abwärme hilft ihnen, die gesetzlichen Vorgaben zur Verwendung erneuerbarer Energien zu erfüllen. Abwärmenutzung ist in der Praxis aber schwieriger als in der Theorie. „Unternehmen, die Abwärme erzeugen, haben mitunter Bedenken, dass durch deren Abgabe ihre Kernprozesse beeinflusst werden könnten“, sagt Alexander Hellmann, Leiter des Kompetenzteams Erzeugung bei der Thüga. „Da es sich nicht um ihr Hauptgeschäftsfeld handelt, herrscht häufig durchaus eine gewisse Vorsicht.“ Eine Hauptherausforderung liege zudem darin, dass nicht immer zeitgleich oder in passenden Mengen Abwärme für eine Wärmeversorgung bereitgestellt werden könne und das Temperaturniveau der Abwärme nicht immer ausreiche.
Doch es gibt positive Beispiele und Firmen, die die ökonomischen und ökologischen Vorteile sehen. Dazu gehört die Cerdia Produktions GmbH in Freiburg. Bereits seit 2020 speist das Thüga-Partnerunternehmen badenova Wärmeplus GmbH & Co. KG Abwärme dieses Chemiebetriebs in sein Wärmenetz im Industriegebiet Freiburg-Nord ein. Davon profitieren das Stadion des SC Freiburg, die Freiburger Messe, ein Fraunhofer-Institut, eine Sparkasse und ein Autohaus. Das Projekt wurde 2022 für seinen visionären Ansatz mit dem renommierten Energy Efficiency Award der Deutschen Energie-Agentur ausgezeichnet. „Das Besondere daran ist, dass wir die Abwärme zu den Endkunden mit Niedrigtemperatur von 55 Grad Celsius leiten“, sagt Christian Paul von der badenova Wärmeplus GmbH. Das heißt: Das Temperaturniveau wurde nicht durch weitere Energieträger auf die sonst üblichen 80 bis 90 Grad gehoben. So beträgt die CO₂-Ersparnis rund 921 Tonnen pro Jahr.
Jetzt geht das Thüga-Partnerunternehmen noch weiter. „Wir wollen die Abwärmeauskopplung bei der Cerdia deutlich erweitern und werden das Niedertemperaturnetz auf Hochtemperatur umstellen“, betont Paul. „Mithilfe von Großwärmepumpen ist es möglich, die Leistung von 6 MW auf 12 MW zu verdoppeln und umgerechnet rund 7.200 Haushalte damit zu versorgen.“ Baubeginn ist noch in diesem Jahr. Gleichzeitig erweitert die badenova Wärmeplus GmbH das Leitungsnetz erheblich und baut zusätzlich den Wärmeverbund Freiburg West auf. Ein solcher Wärmeverbund hat einen besonderen Vorteil: Spitzenlasten können besser ausgeglichen werden. „Auf diese Weise schaffen wir es, die 12 MW aus der Abwärme ganzjährig zu nutzen. Dadurch erhöht sich die Energieausbeute um den Faktor 5“, berichtet Paul.
Hinzu kommt ein smart gesteuertes Lastenmanagement. Die badenova Wärmeplus GmbH berechnet den individuellen Verbrauch ihrer angeschlossenen Kunden im Voraus und trifft entsprechende Maßnahmen, damit die maximal zur Verfügung stehende Leistung nicht überschritten wird. Dabei spielen Erfahrungswerte, das Wetter und auch der Spielplan des Freiburger FC eine Rolle. „Wenn im Winter ein Spiel stattfindet, am selben Tag aber eine andere Lastspitze erwartet wird, erwärmen wir den Rasen bereits am Vortag ein bis zwei Grad höher als notwendig, sodass er durch Abkühlung nachts am Spieltag die Solltemperatur erreicht“, erzählt Paul. Denn die CO₂-freie Abwärme ist ohnehin vorhanden und kann auf diese Weise so clever wie klimaschonend eingesetzt werden. Das funktioniert auch deshalb, weil die Abnehmer eine verbrauchsunabhängige Jahrespauschale als Flatrate zahlen – unabhängig davon, wie viel Wärme in Kilowattstunden sie benötigen. „Das ermöglicht uns, zu unterschiedlichen Zeiten Gebäude oder Flächen mit unterschiedlichen Temperaturniveaus aufzuheizen“, sagt Paul.
Und es geht noch weiter bei der badenova Wärmeplus GmbH: Derzeit entsteht in Freiburg bereits der Wärmeverbund Süd, der Abwärme aus der Molkerei Schwarzwaldmilch nutzen wird. Die 4,5 MW werden die Grundlast abdecken. Hinzugeschaltet werden Grundwasserwärmepumpen und Holzschnitzelkraftwerke. Die Investitionssummen sind entsprechend hoch. Paul: „Wir investieren bis 2035 eine Viertelmilliarde in unsere Freiburger Wärmenetze.“ Solche enormen Summen machen dann Sinn, wenn die Abwärme gebenden Unternehmen bereit sind, sich über einen langen Zeitraum von zehn Jahren und länger zu binden. „Wärmenetze sind Ewigkeitsanlagen“, betont Alexander Hellmann. „Eine solche vertragliche Bindung können manche Unternehmen, die Produktionszyklen von drei Jahren haben, schwierig oder gar nicht garantieren.“
Hinzu kommt, dass bei steigenden Energiekosten die Firmen mitunter selbst Interesse haben, die von ihnen erzeugte Abwärme für sich zu nutzen. Es gibt also viel zu bedenken und abzuwägen. Dabei steht die Thüga ihren Partnerunternehmen, die sich für die Abwärmenutzung interessieren, mit Rat und Tat zur Seite. „Wir bieten strategisch konzeptionelle Beratung zur Energieerzeugung und Investitionsentscheidungen an. Außerdem beraten wir zu Rechts- und Steuerangelegenheiten und begleiten Umsetzungsprojekte inklusive Kostencontrolling “, sagt Alexander Hellmann.